Hi, ich bin Klara.

„Ich bin auch ein Scheidungskind und suche
trotzdem nicht ständig nach Aufmerksamkeit.
Es gibt doch wirklich Schlimmeres."

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„Ich bin auch ein Scheidungskind und suche
trotzdem nicht ständig nach Aufmerksamkeit.
Es gibt doch wirklich Schlimmeres."

Sogar meine Freunde konnten kein Verständnis für mich aufbringen.
Kein Wunder… natürlich gibt es viele Scheidungskinder, und nicht alle drehen automatisch durch,
nur weil die Eltern sich trennen. Meine Sorgen konnte keiner verstehen, weil ich mich nie wirklich geöffnet habe.

Klara

Alles veränderte sich, als meine Mutter mit ihrem neuen Freund ankam. Ich hab’s ihr gegönnt. Warum sollte sie auch für den Rest ihres Lebens allein sein? Besonders gut leiden konnte ich ihn zwar von Anfang an nicht, aber ich hab’s geschluckt – für meine Mutti. Und auch Monate später, als er anfing, mich schlecht zu behandeln, habe ich es noch geschluckt. Ich habe regelmäßig kleine blaue Flecken unter langer Kleidung versteckt, wenn der „Vaterersatz" meinte, ich würde mich zickig aufführen. Als seine Hand das erste Mal in meinem Gesicht landete und ich das schwer verbergen konnte, reichte es mir. Irgendwie war ich froh, dass er es so weit hatte kommen lassen, dass ich mir keine Mühe mehr damit geben brauchte, es geheim zu halten. Genützt hat es mir allerdings nichts, denn der Mensch, dem ich mehr vertraute, als jedem anderen, hielt nicht zu mir. Meine Mutter glaubte kein Wort von dem, was ich sagte.

Meine Mutter! Zu wem sollte ich sonst gehen, wenn jemand mir wehtut, wenn nicht zu ihr? Ich war unglaublich wütend und entwickelte schnell einen Plan, um ihre Aufmerksamkeit für mich zu gewinnen. Ich wollte sehen, dass ihr mehr an mir liegt, als an ihm!
Schlechte Noten, schlechte Laune, schlechter Umgang. Ich hab' alles gegeben. Dass es auf Kosten meiner eigenen Zukunft geschah, war mir dabei völlig egal. Ich wollte meiner Mutter eins auswischen, indem ich mich selbst fertig machte. Heute weiß ich gar nicht mehr, wie ich auf die Idee gekommen bin.

Ich bekam Aufmerksamkeit, aber nicht die, die ich erwartete. Mit allem, was ich tat, wurde meine Mutter wütender auf mich und ihr toller Freund auch. Ständig bekam ich das zu spüren, wenn gerade keiner guckte. Es war ein Teufelskreis, und es wäre auch einer geblieben, hätte die Vertrauenslehrerin unserer Schule ihren Job nicht so gut gemacht, wie sie es tat. Sie machte sich Sorgen um mich – genau das, was ich bei meiner Familie erreichen wollte und nicht geschafft habe. Es war kein Wunder: Mein letztes Zeugnis brachte mich auf den besten Weg dahin, meine berufliche Zukunft endgültig in die Tonne zu hauen.
Ich brach bereits in Tränen aus, als die Lehrerin mich das erste Mal zögerlich ansprach. Endlich! Ich hatte so lange gewartet, dass das passierte, dass es mir völlig egal war, von wem die Worte kamen. Meine Sorgen sprudelten aus mir heraus, wie Wasserfälle. Meine Lehrerin hat mich hier her geführt, auf diese Seite. Seit einem Jahr wohne ich jetzt allein. Das Beste, was ich hätte machen können. Mit Unterstützung des Jugendamtes und anderen Beratern habe ich mich aus meinem Loch gekämpft. Die Schule habe ich beendet und mache jetzt eine Ausbildung.

Wenn ich eher damit begonnen hätte, auszusprechen, was mich bedrückt, hätte ich mir so viele Sorgen ersparen können. Ich bin froh, dass ich wenigstens die Hilfe angenommen habe, die mir angeboten wurde.